Kameraarbeiten
Abenteuer Wissen – Wagnis im Eismeer

Abenteuer Wissen – Wagnis im Eismeer

Dokumentation
30 Min.
ZDF
2007

Team

Buch und Regie: Achim Pollmeier
Kamera: Erik Sick
Ton: Daniel Hallmann
Schnitt: Stefan Kolbe
Produktionsleitung: Uli Veith
Produktion: Taglicht Media
Produzent: Bernd Wilting
Auftraggeber: ZDF
Redaktion: Ute Kleineidam
Stefanie Weinsheimer

Dreharbeiten:
März 2007 in Finnland

Sendetermin:
"Abenteuer Wissen – Wagnis im Eismeer"
25.04.2007 um 22.15 Uhr, ZDF

Wagnis im Eismeer

Die Arktis schmilzt! Die Zeichen sind eindeutig: Satellitenfotos der europäischen Weltraumagentur ESA weisen Risse im ewigen Eis auf, wie sie bisher noch nie beobachtet wurden. Forscher gehen davon aus, dass die Arktis schon in 40 bis 70 Jahren im Sommer eisfrei sein könnte. Und je schneller das Eis schmilzt, desto dramatischer sind die Veränderungen, die das für die Welt bedeuten würde. "Abenteuer Wissen" zeigt, wie Experten sich beieilen, mit neuen Messmethoden noch präzisere Vorhersagen zu treffen - und wie andere sich darauf vorbereiten, die große Schmelze für sich zu nutzen: Die letzten Reserven fossiler Energien und neue, kürzere Wasserwege für Handel, Transport und Militär werden leichter zugänglich. Die Entwicklung geeigneter Schiffe und Techniken zur Bezwingung einer der großen verbliebenen Herausforderungen auf der Erde läuft auf Hochtouren.

Der Navigator im Eis Kapitän Vuorinen ist einer der Männer der ersten Stunde: Schon heute steuert er einen gewaltigen Öltanker durch dickes Eis. Andere Tanker würden unter solchen Bedingungen havarieren - doch Vuorinen steuert keinen normalen Tanker, sondern einen so genannten "Double-Acting-Tanker" - einen Supertanker, der auch Eis brechen kann. Es ist der Schiffstyp, auf den Ingenieure und Reedereien große Hoffnung für die Zukunft des Öltransports setzen. Denn für die wechselnden Verhältnisse in der Nordostpassage werden Schiffe benötigt, die durchs Eis brechen können, aber zugleich im offenen Meer so schnell sind wie ein normaler Tanker. Weltweit gibt es bisher nur zwei solcher Tanker, und Kapitän Vuorinen weiß, dass deshalb die ganze Welt auf ihn und sein Schiff schaut. Dabei muss er den Supertanker fast im Blindflug durch das Eis steuern - denn satellitengestützte Eiskarten sagen nichts über die Beschaffenheit des Eises aus. Im Zweifel hängt alles von der Erfahrung des Kapitäns und seiner Mannschaft ab. "Abenteuer Wissen" geht an Board und erlebt den Härtetest von Schiff und Kapitän im Eis.

Grundlagenforschung auf dem Eis Die bisherigen Qualität der Eiskarten bedeutet für die Seefahrt im Eis eines der größten Risiken: Sie zeigen nur die Eisbedeckung, sagen aber nichts über die Dicke und die Struktur des Eises aus. Forscher aus aller Welt suchen daher nach Wegen, die Eiskarten zu verbessern. Finnische Wissenschaftler wollen Daten von Radarsatelliten nutzen, um endlich diese Lücke zu schließen. Bei der Suche nach einer Lösung sind sie auf Experten aus Deutschland angewiesen. Dr. Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven kann mit einem besonderen Verfahren Eisdicken aus der Luft messen. Er selbst braucht die Daten, um genauere Prognosen für die Klimaforschung machen zu können. "Abenteuer Wissen" ist dabei, wie sich die Forscher gemeinsam an die Arbeit machen.

Die Zukunft im Eiskanal Wenn ein neues Schiff gebaut werden soll, muss es zunächst eine schwere Prüfung bestehen: den Test im Eiskanal. Mikko Niini und sein Team im Aker Arctic Research Centre haben schon hunderte Schiffsmodelle getestet. Sie sind Meister in der Simulation arktischer Verhältnisse. Ihr Ergebnis ist ernüchternd: Von den heutigen Schiffen sind kaum welche den Bedingungen der Arktis gewachsen. Die Entwickler arbeiten daher unter anderem an einem neuen Eisbrecher, der sogar eine Fahrrinne für breite Supertanker brechen könnte - bisherige Eisbrecher sind dafür zu schmal. Doch der neue Eisbrecher soll noch mehr können: Im Falle eines Ölunfalls im Eis soll er das Öl wieder einsammeln können. Noch ist das Schiff in der Entwicklung, doch der Bedarf ist groß: Im Falle einer Havarie im arktischen Eis gäbe es bisher keine Möglichkeit, eine Ölpest wirksam zu bekämpfen.

(Pressetext ZDF)

Hinter den Kulissen –
Achim Pollmeier berichtet von den Dreharbeiten

Porvoo im März 2007. Schon der erste Anblick ist mehr als imposant: Ungeheuer groß, breit und stark schiebt sich die M/T Tempera, das Schwesterschiff der M/T Mastera, durchs Eis im Ölhafen von Porvoo, nahe der finnischen Hauptstadt Helsinki. Von einem kleinen Arbeitsschiff aus drehen wir die Ankunft des Öltankers in seinem Heimathafen - eine perfekte Gelegenheit, das Schiff noch einmal von außen einzufangen, ehe wir selbst an Bord gehen dürfen, um vier Tage lang die vereiste Ostsee zu durchfahren. Ein Schlepper spült mit der Kraft seiner Schrauben dicke Eisbrocken vom Pier weg, bis der 250 Meter lange Stahlkoloss endlich anlegen kann. Dann dürfen wir an Bord - und sogleich wird das Schiff noch imposanter: Das gesamte Deck ist überzogen mit Rohren, Schläuchen und Ventilen, gangbare Wege sind eigens markiert. Noch ehe wir unsere Kameraausrüstung verstauen können, bekommen wir als erstes eine Sicherheitseinweisung. Die Regeln sind streng: Kein Alkohol, Drogen sind ohnehin tabu, und überall herrscht striktes Rauchverbot.
Einzige Ausnahme ist ein kleiner Raum gegenüber dem Kapitänsbüro. Dazwischen treffen wir Kapitän Stig Sundberg. Kein Seebär, eher ein Traumschiffkapitän: blonde gescheitelte Frisur, gepflegter Schnauzbart, Goldkettchen und eine kleine Tätowierung auf dem Unterarm. Freundlich und verbindlich. 21 Männer und Frauen hören auf sein Kommando, mehr braucht es nicht, um einen Tanker wie diesen durchs Eis zu steuern. Nun sind drei Gäste hinzugekommen. Am nächsten Morgen um acht Uhr werden wir auslaufen.

Es geht durch die zugefrorene Ostsee nach Primorsk, dem größten russischen Ölhafen. Von hier soll die Tempera Rohöl nach Finnland bringen. Kapitän Stig Sundberg hat sein halbes Leben auf den Meeren des Nordens verbracht -überwiegend auf Tankern. Doch keines dieser Schiffe war wie die M/T Tempera: ein Double-Acting-Tanker, jener neuartige Schiffstyp, der entworfen und gebaut wurde, um ohne die Begleitung von Eisbrechern auch dickstes Eis zu durchfahren und damit den Öltransport sicherer und billiger zu machen.

Eigentlich sind ab einer Eisdicke von rund 40 Zentimetern selbst Schiffe der höchsten Eisklasse auf die Hilfe von Eisbrechern angewiesen. Ihr Rumpf ist so verstärkt, dass das Eis ihn nicht beschädigen kann. Zum Brechen des Eises ist der Wulstbug eines normalen Tankers jedoch ungeeignet. Doch die Tempera ist kein normaler Tanker: Als das Eis zu dick wird, dreht Kapitän Sundberg das Schiff mitten im Eis herum, bis es mit dem Heck in Fahrtrichtung steht.

Dann verlassen Sundberg und sein Offizier die Hauptbrücke und gehen zu einer zweiten Brücke mit Blick nach achtern. Von jetzt an fährt der Tanker rückwärts und wird zum mächtigen Eisbrecher: Das abgeschrägte Heck schiebt sich aufs Eis und zerbricht es mit seinem eigenen Gewicht. Der Klang des berstenden Eises verstärkt sich im stählernen Rumpf des Schiffes, hallt vibrierend, dumpf und metallisch nach und lässt erahnen, welche Kräfte 15 Meter unter uns am Werk sind.

Für konventionelle Schiffe wäre das völlig unmöglich: Das Eis würde das Ruder am Heck zerdrücken. Doch die Tempera hat kein gewöhnliches Ruder, sondern einen so genannten Azipod-Antrieb. Vier Stockwerke hohe Dieselaggregate erzeugen im Bauch des Schiffes eine Leistung von bis zu 20 Megawatt.

Unter Volllast werden hier pro Tag rund 90 Tonnen Schweröl verbrannt und zu Strom umgewandelt. Ein Kraftwerk, das rund 100.000 Menschen mit Strom versorgen könnte. Hier jedoch verbraucht den Strom der Azipod, eine 15 Meter lange, drehbare Gondel unter dem Heck des Schiffes, in der ein Elektromotor direkt die Schraube antreibt. Der Azipod ist Antrieb und Ruder zugleich, mehr noch: Bei der Fahrt durch dickes Packeis fräst die Schraube das Eis förmlich weg.

Als wir mehrere von Eisbrechern angeführte Schiffskonvois überholen, wird klar, warum die teure Technik eines Double-Acting-Tankers dennoch wirtschaftlich und vor allem sicher ist: "Schiffskonvois im Eis sind immer gefährlich", sagt Kapitän Sundberg. "Vor allem, wenn sich das Eis bewegt, muss man sehr kurzen Abstand halten und das kann sehr gefährlich sein." Ohne die Begleitung von Eisbrechern durchs Eis zu kommen, ist aber nicht zur sicherer, es spart auch Geld. Ein Abbau der entlegenen Energiereserven unter dem arktischen Eis ist so nach Ansicht vieler Experten nicht wirtschaftlich möglich.

Doch auch in der Ostsee hat sich der Einsatz von insgesamt zwei Double-Acting-Tankern für die Ölgesellschaft Neste Oil bereits gelohnt: "Im harten Winter vor vier Jahren waren wir die einzigen Tanker, die noch nach Primorsk und zurückkamen", erzählt Sundberg, "damals hat die Gesellschaft an diesen Schiffen viel Geld verdient." Problemlos durchquert der Tanker den Golf von Finnland und erreicht den russischen Ölhafen von Primorsk. Seit Jahren werden die Kapazitäten dieses Hafens, der etwa die Hälfte des Jahres vom Eis eingeschlossen ist, ausgebaut. Viele Ostsee-Anrainerstaaten sehen das mit Sorge, denn damit nimmt auch der Tankerverkehr in den engen und flachen Fahrrinnen der Ostsee immer weiter zu.

Und längst nicht jeder Kapitän, der einen Tanker durchs Eis steuert, hat Erfahrung damit. "Schifffahrt im Eis ist wirklich eine schwierige Sache. Man kann das nicht aus Büchern lernen, sondern man muss es fühlen und es dauert Jahre bis man genug Erfahrung hat", berichtet Kapitän Sundberg. Und das hier ist nur die Ostsee. Die Bedingungen der Arktis sind ungleich härter: Viel härteres, mehrjähriges Eis, heftige Stürme, treibendes Packeis und größere Entfernungen machen die Nordostpassage, den großen Seeweg durch die sibirische Arktis, nach wie vor zu einer der größten Herausforderungen der modernen Seefahrt. Doch die Fahrt auf der M/T Tempera gibt uns einen Eindruck davon, dass diese Passage schon bald nicht mehr so unbezwingbar sein wird, wie sie es bis heute war.

(Pressetext ZDF)

Zurück